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C h i e f



Santa Fe Hi-Level (WS)



Union Station, Los Angeles 2014 (WS)

Los Angeles, die Stadt, die ueber fuenfzig Kilometer im Durchmesser misst, die Stadt, in der es selbst Rolls Royce und Ferrari zu mieten gibt, die Stadt des Glamour... ist keine Stadt der Eisenbahn mehr. Vom ehrwuerdigen Hotel Sheraton Town House aus, in dessen Speisesaal zwischen Spiegeln und Luestern waehrend der dreißiger Jahre amerikanische Praesidenten diniert haben, faehrt das Taxi an den geradezu idyllischen Union Passenger Terminal im spanischen Kolonialstil von 1939, von wo aus einst Hollywoodstars und Starlets die Reise nach Osten angetreten haben. Beruehmter Zug war die City of Los Angeles der Southern Pacific, noch beruehmter und zudem exklusiver war der Super Chief der Santa Fe.

Heute (es ist der Abend des 1. Mai 1987) steht silbern funkelnd sein Nachfolger, der South West Chief der Amtrak am Bahnsteig, alles Superliner, dazu ein Privatwagen namens "Marion Mattison", ein hellgrau/violetter Vista-Dome aus den vierziger Jahren. Eine huebsche schwarze Schaffnerin steht neben dem Stufenpodest am Eingang des Superliner, der On Board Service Chief geleitet in das Schlafabteil, ein Zweibettabteil an einem Mittelgang im Obergeschoß mit gegenueberliegenden Fauteuils (und "indianischen" Sitzbezuegen in Santa Fe-Manier), zeigt den Kleiderschrank und gibt die Vouchers fuer Dinner, Lunch und Fruehstueck aus. Auf dem Tisch stehen außerdem, neben Prospekten des Zuges ("You are traveling on Amtrak's premier Superliner train - the South West Chief") und feinem Briefpapier, appetitliche Lunch Boxes mit zwei Flaeschchen "Los Hermanos White Zinfandel" als Schlaftrunk. Nachdem ein Bus mit Passagieren des durch einen Waldbrand bei San Louis Obispo aufgehaltenen Coast Starlight eingetroffen ist, kann der South West Chief auf seine dreitausendsechshundert Kilometer lange Fahrt nach Chicago gehen... genau dreiundzwanzig Jahre nach unserer Hochzeitsreise. Sie hatte im altertuemlichen Schlafwagen des Direct-Orient stattgefunden, unter einer Mondsichel ueber dem Parnass. Nun steht draußen eine Mondsichel ueber den Lichtern von Los Angeles...

Dinner im Speisewagen, ein richtiges 10-Unzen-Steak. Der Wein ist extra zu bezahlen, aber nein, Mike, der On Board Service Chief, hat eingeladen. Waehrend wir schlafen gehen, windet sich der South West Chief den vielgleisigen Cajon Pass empor.

Gegen sieben Uhr frueh bringt Carol, die huebsche schwarze Schaffnerin, den Early Morning Coffee ans Bett. Grauer Himmel, Zwergkiefern auf dem Arizona Plateau. In langsamer Bergfahrt ueberholen wir einen Gueterzug mit Santa Fe- und Burlington-Lokomotiven. Flagstaff, Bus-Anschluss zum Grand Canyon. Die Bergspitzen hier sind dreitausend Meter hoch, Goettersitze der Navajo-Indianer.

Einoede, Tafelberge unter aufliegenden Wolken, zerkluefteter Karst. Gallup. Stroemender Regen ueber Lehmhuetten, Armut und Autowracks, Indianergebiet.

Schneegestoeber (im Mai), irgendwo eine einsame Missionskirche. Im Schlafabteil ist es am gemuetlichsten, man sollte den ganzen Tag ueber im Bett bleiben. Noch komfortabler hat es unsere Freundin in ihrer "De Luxe"-Kabine: Sofa, Fauteuil, eigenes WC mit Dusche.

Fruehstueck im Speisewagen. Dann wieder Steigungen, der Continental Divide. In Albuquerque faehrt eine Fensterreinigungsmaschine den Zug entlang (das gibt es damals in Europa nur beim Venice Simplon-Orient). In Lamy (nur ein paar Haeuser) startet der Bus nach Santa Fe. Der Apache Canyon ist gerade so breit, dass der South West Chief und ein Bach hinein passen. Beim Lunch sind in Kurven vorn unsere zwei F40PH und deren staendig zuckende Blinklichter zu sehen (Gueterzuege fahren achtspaennig). Blaue Tafelberge unter dunkelvioletten Wolken, der Glorietta Pass, die beruehmte Doppel-S-Kurve, der Starvation Peak, ein verlassener Lokschuppen und sechsachsige ehemalige Schlafwagen in LasVegas, Wolkentuerme, am Horizont die viertausend Meter hohen Sangre de Cristo-Berge, der Shoemaker Canyon, Grasland unter einem aufziehenden Gewittersturm, das ist New Mexico.

In Raton (spanisch ausgesprochen) beginnt unter den letzten Strahlen der Abendsonne der Anstieg zum gleichnamigen Pass, dann kommt die Tunneldurchfahrt, mit 7588 ft oder rund 2300 m ueber dem Meer der hoechste Punkt der Strecke, dann in endlosen zweigleisigen Schleifen der Abstieg in den Bundesstaat Colorado. Ein Bahnsteig neben einer Pizzeria, das war Trinidad. Es geht ins Flachland hinaus. Zum Abendessen ist der Speisewagen voll besetzt, die Kellner servieren in mehreren Serien. Die Rangiergleise von La Junta glaenzen nass vom Regen.

Lamar. Waehrend des Schlaftrunks im Abteil fahren wie Nordlichter elektrische Entladungen ueber den halben Horizont, schlagen weiße Blitze drei-, viermal hintereinander in der gleichen Spur vom Himmel bis in den Boden, sind die Konturen der Huegel fast pausenlos beleuchtet, ein oder zwei Stunden lang. Der "premier train" Amerikas, der Nachfolger des legendaeren Super Chief, der Eisenbahntraum der Jugend aus den "Life"-Heften der ersten Ami-Nachkriegszeit - hier rollt er durch den Wilden Westen, durch Garden City und Dodge City (der Stadt von Billy the Kid und Jesse James), vom Himmelsfeuerwerk illuminiert wie von Millionen Hollywood-Scheinwerfern: der Glamour Train der Welt...

Early Morning Coffee, sieben Uhr, Regenpfuetzen, Chicago and North Western-Diesellok vor Gueterzuegen, im Hintergrund eine Wolkenkratzer-Skyline ueber einem Brueckenbogen. Ein alter eiserner Bahnviadukt ueberquert die Gleise, langsam biegen wir unter dessen Pfeilern nach rechts ab, sehen Kleinstadthaeuschen unter Kastanienbaeumen, hinten Wolkenkratzer aus der Vorkriegszeit, und bleiben an einer Reihe von Lagerhaeusern stehen. "KansasCity" verkuendet der Lautsprecher im Zug. Der große Bahnhof muss auf der anderen Seite liegen.

Über Gleiskreuzungen und ueber den Missouri hinweg geht es hinaus in eine Landschaft, deren nasse Äcker und frischgruene Baeume an Niedersachsen erinnern. Vor einem niedlichen "europaeischen" Bahnhofsgebaeude warten Leute auf ihre Angehoerigen aus dem Zug. Marceline/Missouri, der Ort, in dem Walt Disney aufgewachsen ist. Fort Madison: der Mississippi liegt unter Dauerregen, schwarz steht in seinem Uferpark die wuchtige Masse einer Northern, einer 2D2 der Santa Fe. Die zweistoeckige Stahlbruecke ueber den Fluss verliert sich im Nebel.

Zum Lunch mischt sich unter die bekannten Gesichter eine Familie in Sonntagskleidung, vielleicht in Galesburg zugestiegen. Mit Industrie, Kanaelen und rumpelnden Gleiskreuzungen zeigt sich Joliet. Gegen drei Uhr nachmittags taucht ein schwarzes Gebirge auf, die Gipfel in Wolken gehuellt - die Downtown von Chicago. In Rueckwaertsfahrt wird der South West Chief in die Geisterbahn der Union Station geschoben. Umsteigen in den Broadway Limited nach New York.


South West Chief Los Angeles - Chicago in New Mexico 1987 (WS)

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