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I r i s h   M a i l



Train Dublin - Dun Laghoaire, April 1981


Seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts schon ist dieser Nachtzug, der die letzten Postsendungen des Tages fuer Irland und frueher auch Amerika von London aus westwaerts trug, als die "Irish Mail" bekannt. Am Abend des 26. April 1981 steht die Irish Mail in der Londoner Euston Station in den blau/grauen Farben der British Railways bereit. Bis Crewe zieht die Ellok 86 222. Zuvor war es die Dieselbaureihe 40 und bis Anfang der sechziger Jahre sind die herrlichen LMS-Pacific von Stanier mit der Irish Mail durch die mittelenglische Nacht gedonnert.

Um 21 Uhr 40 faehrt der Zug ab. In dem Intercity-Wagen versuchen manche Leute, sich quer ueber die Stoffsitze zum Schlafen zu betten. Andere hoeren Walkman, andere irische Musik aus dem Transistor. Beim Gang in den Buffet-Wagen schlaegt kalter Wind entgegen, Unrasierte mit offener Hemdbrust hocken dort, eine Dame etwas grell und in Pelz, jemand schlaeft aufrecht vor seinem Bier...

"That's Bangor", sagt die irische Nachbarin im Sitzwagen. Zwei Uhr nachts, von draussen dringt Diesel-Geruch herein. Eine 47 muss seit Crewe vorgespannt sein. Um Viertel vor drei kommt die Irish Mail in Holyhead an. Wie im vorigen Jahrhundert muss hier umgestiegen werden, Kofferschleppen, Ticketkontrolle... Dann, vom Deck des Faehrschiffs "Columba" aus, ist die nachtschlafene Kleinstadt zu sehen, Giebelhaeuschen, Prellboecke der Bahn am Meer. Langsam geht es zum Hafen hinaus.

Beim Aufwachen ist es hell, die Sonne scheint auf eine gruene Kueste mit weissen Haeuschen, es koennte Italien oder die Cote d' Azur sein: Irland. Vom Bahnhof Dun Laoghaire, gesprochen Dun Leary, dem frueheren Kingstown, fahren wegen Elektrifizierungsarbeiten Doppelstockbusse nach Dublin zur Heuston Station, einst bekannt als Kingsbridge. Boat-trains verkehrten bis 1980 noch mit fuenfundzwanzig Jahre alten Wagen von Craven, gezogen von Metropolitan-Vickers-Diesellok oder General Motors. "Sie verschwanden fuer immer", sagt ein Eisenbahner mit Bedauern.

Dublin - das sind Gruenderzeitfassaden und der Fluss Liffey, viktorianische Haeuschen und, auf dem Viadukt fast in der Hoehe der Daecher, in jener Zeit die altmodischen orangegelb/ schwarzen Zuege der Coras Iompair Eireann, oder einfach CIE. Am naechsten Morgen steht ein solcher Zug mit einer der eigenartigen General Motors nach Tralee im Heuston-Bahnhof, ein Dreiwagenzug aus Galway kommt gerade herein und Zug 208 nach Cork wird bereitgestellt. Hinter der sechsachsigen General Motors 071 sind zehn Wagen gereiht, der dritte ein Dining Buffet car. Auf den Stoffbaenken beiderseits des Mittelgangs sitzt es sich gut, als der Zug an abgestellten Diesellok vorueber die freie Strecke erreicht. Vor etwa zweieinhalb Jahrzehnten hatten sie die Dampflokomotiven ersetzt, sagt der Schaffner. Gruene Wiesen, Baumalleen, nasse Strassen unter tiefhaengenden Wolken, so zieht Irland vorueber. CILL DARA, CUIL AN SUIDARE, PORT LAOIZISE lauten die Stationsschilder, aber eine Irin sagt, dass die Leute Portarlington oder Port Laoise sagen. Irgendwo eine fruehgotische Kirche, irgendwo ein steinerner Bahnhof wie eine Burg, dann geht es abwaerts, ein graues Daechermeer breitet sich aus - Cork, Endstation.

Umsteigen in den Anschlusszug nach Cobh, zwei Wagen nur hinter der vierachsigen General Motors Nr. 172. In der eisernen Halle ist eine ausgestellte gruen/schwarze Dampflok zu bewundern, bevor der Zug an einem breiten Fluss, an schiefergedeckten Haeusern und einer Werft entlang fahrend nach kurzer Zeit Cobh erreicht, das einstige Queenstown, "the end of the line", wie der Herr gegenueber sagt. Nur zwei Gleise, ein einziger Bahnsteig, ein kleines Stationsgebaeude aus rotem Backstein - und doch war das einmal der allerletzte Umsteigeplatz fuer die in allerletzter Stunde in London mit der Irish Mail gestarteten Reisenden, um den zuvor abgefahrenen Ozeandampfer nach Amerika noch zu erreichen.

"Ich wuerde jetzt nicht nach Belfast reisen", sagt der Besitzer der freundlichen Pension in Dublin, ein pensionierter Offizier. Es ist in jenem Fruehjahr 1981 die Zeit, als sich Nationalheld Bobby Sands im "H-Block" des dortigen Gefaengnisses zu Tode gehungert hat. Natuerlich sitzt der Eisenbahnfreund um 14 Uhr 30 trotzdem im "Enterprise Express" nach Belfast, als dieser mit sieben Wagen, alles CIE, die Conolly Station verlaesst. In Dundalk kommt der Gegenzug der Northern Ireland Railways in Hellgrau mit blauem Streifen entgegen, links steht die schwarze 2B-Lok 131 der Great Northern ausgestellt. Dunkelgruene Wiesen, Schafweiden, Ginster gelb in der Sonne, welch friedliche Landschaft... In Portadown, der nordirischen Grenzstadt, gibt es keine Passkontrolle. Und die Diesellok aus dem Sueden laeuft wirklich bis Belfast durch, wo die Central Station die alte Great Victoria Station ersetzt hat.

"Smash H-Block", steht auf die Backsteinmauern gepinselt, welche die Central Station festungsartig umgeben. Unten ist ein Zug mit der Diesellok 102 aus "Derry", dem katholischen Londonderry, angekommen. An der York Road Station ist anderntags ein Dieseltriebwagen zu sehen, der nach Larne als "boat-train" fuer die Faehre nach Stranraer mit Anschluss nach London verkehrt. Im Transport Museum lassen ein brauner Zweiachser der Dublin-Kingstown Railway von etwa 1840 und ein braun mit cremefarben lackierter Abteilwagen der Newry & Greenore Railway vom geruhsamen Reisen in der Vergangenheit traeumen. Hoehepunkte sind die schoene 2B von 1924 des Northern Counties Committee im braunroten LMS-Anstrich und die gruene 2C Nr. 800 der Great Southern of Ireland, welche 96 Meilen pro Stunde erreicht hat.

Beim Herauskommen regnet es wie zuvor. In der Innenstadt geben sich Journalisten mit Teleobjektiven ein Stelldichein. Beim Fragen nach dem Postamt steht ploetzlich eine unglaublich schoene Frau gegenueber, in Schwarz - Trauer? - und verschwindet gleich wieder, den Fremden in Gedanken an diese traurige, verwunschene Stadt zuruecklassend. Um fuenf Uhr nachmittags muessen alle die City verlassen haben, die Barrikaden werden damals jeden Tag geschlossen, Militaer mit Maschinenpistolen bezieht Wache.

Am anderen Morgen, bei Ankunft mit der P&O-Faehre in Liverpool, ragt die Silhouette der Gruenderzeitbauten in den Himmel. Sie kuenden vom vergangenen Reichtum in der Epoche, als Liverpool ein Hafen der Ozeandampfer war, erster Ausgangspunkt der Cunard Liner nach Amerika - kolossal das alte North Western Hotel, in der Naehe die Lime Street Station, wo der Zug nach London bereit steht, wohin einst der "American boat-train" verkehrte. Nun ist es ein Intercity der British Railways hinter einer Ellok der Klasse 86. Und es steigen immer mehr junge Leute zu, Rugby-Fans. Manche trinken Whisky, manche nicht, sie laden ein, sind nett. Der Zug faehrt auf der viergleisigen Strecke mit 160 km/h, bei der Stadt Rugby kommt der Manchester Pullman entgegen, um halb elf beginnen die Vororte von London. Nach dem Aussteigen, in der Halle der Euston Station, schreckt groelender Gesang auf, Menschen druecken sich veraengstigt in die Ecken, "we are going to Wembley, Wembley, Wembley", droehnt es hundertstimmig durch die Halle, und da sind sie, sie sind es wirklich, die netten Mitreisenden aus dem Intercity. Einmal im Leben zu den Rugby-Hooligans gehoert zu haben...


Belfast Central Station and a radicals' slogan in 1981 (WS)


Irish Mail California Zephyr The Canadian Jakarta - Bandung "Spirit" Melbourne - Sydney New Zealand Chief