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P a r i s - C a r l s b a d - E x p r e s s



De Luxe Paris-Praha-Express, CSD 275, Gemaelde Heribert Schroepfer


Ich atme und schaue: der großraedrigen maechtigen Schnellzugmaschine folgen sechs Waggons, alles in dunkelbrauner Holzvertaefelung, deren Messingschrauben wie eine Perlenreihe oben und unten die Wagen entlang glaenzen. Über den Fenstern große Messingbuchstaben: COMPAGNIE INTERNATIONALE DES WAGONS-LITS ET DES GRANDS EXPRESS EUROPEENS... Ein Ruch von Rauch und verbrutzeltem Öl, vermischt mit Dampf, umweht mich - ein Duft der großen weiten Welt! Dann ist alles vorueber.
Ernst Koeditz
ueber die Vorueberfahrt des Express in Franken


Express (Paris-) Frankfurt - Praha, DB 218, Oberfranken 1984 (WS)


Drei Jahrzehnte spaeter: Langsam wird die 01, die in Nuernberg die V200 ersetzt hat, einen leichten Rauchschleier hinter sich lassend etwas schneller, waehrend der Zug sandige Kiefernwaelder durchquert. Sie moegen manchen Reisenden an die Mark Brandenburg erinnern. Eine aeltere Amerikanerin, in Struempfen, kommt aus einem Erster-Klasse-Abteil des tschechischen Wagens aus Paris, der im Morgengrauen in Stuttgart vom Orient-Express abgehaengt worden war. Sie fragt, ob sie hier in Österreich oder in der Tschechoslowakei sei. Nuernberg war die letzte groeßere Stadt gewesen und jetzt bewegt sich der Zug auf die tschechische Grenze zu. "Noch eine Stunde", bemerkt im Seitengang ein Mann in schaebiger Weste duester, und er zaehlt im Portemonnaie die Muenzen. Der Wagons-Lits-Schaffner im Schlafwagen Paris - Prag warnt vor dem Photographieren: "Das ist gefaehrlich". Fremdartig wirkt bei dem Halt auf dem Kleinstadtbahnhof Marktredwitz der Wagon-Lits mit seinem menschenleeren Korridor, mit seiner durch vier Jahrzehnte schwarz gewordenen Holztaefelung und mit einem geoeffneten Bett in der Mittagssonne. Dann bringt eine Gueterzuglokomotive der Baureihe 50, Kabinentender voran, die fuenf Wagen zur Grenzstation Schirnding hinauf.

Offenbar ist der Schaffner der einzige "Passagier" im Schlafwagen. Nach dem kommunistischen Umsturz in der Tschechoslowakei 1948 hatten die Wagons-Lits-Kondukteure in Prag ihren Wagen nicht verlassen duerfen aus Furcht vor Verhaftung. Einmal fand die tschechische Polizei 1500 Dollar in einer Waggontoilette versteckt und die Reisenden sind 16 Stunden lang verhoert worden. Ende Juni 1951 stoppten die tschechischen Kommunisten den Schlafwagenlauf schlagartig und fortan wurde er auf Nuernberg beschraenkt. Stalins Minister Andre Wyschinsky soll derjenige Fahrgast gewesen sein, dessen Unmut ueber das Umsteigen die Wiedereinfuehrung des Schlafwagens Paris - Prag - Warschau bewirkte. Ein rares Photo aus Schirnding 1952 jedenfalls zeigt das Ehepaar Wyschinsky in einem tschechischen, ehemals oesterreichischen Sitzwagen der Polsterklasse.

In Schirnding kann man weiter an den letzten Haeusern des kleinen Ortes vorueber und an dem einen Gleis entlang zu Fuß nur gehen soweit man sich im Wald und im Gestruepp getraut... denn die nahe Grenze ist der "Eiserne Vorhang", damals, im Fruehsommer 1963. Nach einiger Zeit der Stille kommt der Zug aus dem Bahnhof heraus, eine tschechische Gueterzuglok 556.0 mit Sowjetstern, drei Wagen aus Stuttgart, am Schluß ein CSD-Wagen und der alte Wagon-Lits ST Paris - Prag aus dem Orient-Express. Langsam entschwindet er in einer Rauchwolke, Kohlengeruch hinter sich lassend - auf dem Weg in die eigene Heimat, damals verschlossen.

Großvater war dort vor dem ersten Weltkrieg Lokomotivfuehrer bei der kkStB gewesen, als in Karlsbad vom Oberen Bahnhof die Luxuszuege Carlsbad-Express nach Paris und nach Oostende, spaeter beide ein Teil des Orient-Express, auf der privaten Buschtehrader Bahn abfuhren. Und die Familiengeschichte erzaehlt: Bei einer seiner taeglichen Fahrten auf der kkStB zwischen Marienbad und Karlsbad fuhr er einmal mit einem Pkw um die Wette. Nach Ankunft am Unteren Bahnhof kam der Chauffeur zur Lok, und sagte mit einem Haendedruck: "Wissen Sie, mit wem sie da um die Wette gefahren sind? Mit Koenig Georg von England!"

Versperrt war in der Nachkriegszeit die Grenze, aber den Orient-Express nach drueben gab es noch, bis Prag wurde er zeitweilig von den maechtigen Mountains 498.0 und 498.1 gezogen. Vor 1961 fuhr er weiter ueber die Grenzstation mit dem neuen unaussprechlichen Namen Zebrzydowice bis Warschau und anfangs war sogar eine Verlaengerung nach Gdingen mit Anschluss nach Schweden geplant! Über einen der wenigen Passagiere in dem Schlafwagen Paris - Warschau schrieb der nach Amerika emigrierte Journalist Joseph Wechsberg: "Als er seinen in Warschau im diplomatischen Dienst stehenden Sohn besuchen wollte, waehlte er den Schienenweg aus alter Liebe zu diesem Zug und schwelgte in Reminiszenzen an die Zeit, da man noch einen Aga Khan, Carol II. von Rumaenien oder Richard Tauber, eine Pola Negri oder Fritzi Massary oder gar die Rothschilds in dem Express treffen konnte, da die Kellner blanke Goldstuecke als Trinkgeld bekamen und - der Erzaehler wischte gedankenvoll mit dem Finger ueber die Leisten der Sitze - die Abteile vor Sauberkeit glaenzten! Resignierend vertiefte er sich hierauf in einen Berg Zeitungen, deutsche, franzoesische, italienische, englische, mit denen er sich in Paris eingedeckt hatte."

Inzwischen sind die Grenzen laengst wieder offen und gerade wir Eisenbahnenthusiasten haben neue und alte Freunde "drueben" - die Zuege dorthin aber sind fast verschwunden.


De Luxe Karlsbad-Oostende-Express, Bustehrader Bahn cat.VI no.83 (coll. Gerhard Puchta)

F106 Orient-Express, CSD 555.0, ex-DR 52, SNCF fourgon Praha - Paris, PKP Warszawa - Paris, CIWL WL Warszawa/ Praha - Paris, Schirnding 1953 (Gottfried Turnwald)

Orient-Express Warszawa-Paris, USSR-Minister Andre Wyshinsky, Schirnding c.1950 (coll. Hans Kundmann)

Praha (WS)
Am Ziel des einstigen Paris-Carlsbad-Express (WS)

Zapadni-Express Praha - Paris, CSD-Mountain 498.033, c.1965 (Pavel Vancura, coll. Wilhelm Tausche)



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