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T r a v e l s  -  R e i s e n




Ü b e r   d e n   S e m m e r i n g




Express Wien - Beograd, OeBB 95, 33, Semmering 1958
(Gottfried Turnwald)

Wien Suedbahnhof, April 1971: Am fruehen Nachmittag steht dort der D 517 nach Jugoslawien bereit. Frueher ist dieser Zug ein Fluegel des Simplon-Orient- und des Tauern-Express gewesen. An jenem Tag besteht er aus neuen jugoslawischen und fuenfzig Jahre alten oesterreichischen Wagen nach Laibach und nach Belgrad, gezogen von einer Ellok 1042. Eine Stunde vor der Abfahrt schon sind die Wagen besetzt. Alte Frauen auf dem Bahnsteig schleppen Taschen und Rucksaecke. Fast nur Serbokroatisch ist zu hoeren, als sich der Zug unter dem Winken der Zurueckbleibenden in Bewegung setzt.

An Lagerhaeusern, abgestellten Lokomotiven, auch Dampflok der Reihe 52, und einem großen Friedhof vorueber erreicht er die offene Landschaft. Ab und zu huscht noch ein altes Suedbahn-Formsignal vorueber. Bei Gloggnitz beginnt die Linie staerker zu steigen und hinter Payerbach folgt, in einer 180 Grad-Kehre gelegen, der erste große Steinviadukt. Stark ansteigend fuehrt die zweigleisige Strecke nun in entgegengesetzter Fahrtrichtung, bis sie hoch oberhalb der Ortschaft Gloggnitz wieder nach Sueden abbiegt um am Hang entlang, durch einige Tunnels, an der Station Klamm-Schottwien und der dortigen Burgruine vorueber in die beruehmten Felsgalerien einzumuenden. Nach einigen Biegungen bei dem Bahnhof Breitenstein erreicht die Linie abermals die Felsregion, bevor sie ueber einen Viadukt die Hangseite wechselt und schließlich in ein Seitental einmuendet. Dort liegt neben zahlreichen Hotels die Station Semmering, unmittelbar vor dem Tunneleingang.

Die Fahrt ist großartig - aber dennoch nichts gegenueber dem Dampfbetrieb zu frueheren Zeiten. Es war eine Reise im Winter 1958/59 mit dem gleichen Zug nach Jugoslawien, als hinter Payerbach die Geschwindigkeit immer mehr abfiel, als die Sicherheitsventile der 2D-Reihe 33 und der Tenderlok 95 als Vorspann abbliesen, als auf dem ersten Viadukt der Sturm den Dampf von den Schornsteinen und den Überdruckventilen wegriss und zusammen mit den schwarzen Rauchfahnen in die Tiefe wirbelte, als der Zug in der Steigung nach Eichberg hinauf fast zum Stillstand kam (eine dritte Lok ist im Blockabstand offenbar fuer den Notfall nachgeschickt worden), als hinter dem letzten Wagen dicker Qualm aus dem Tunnel quoll und als die Maschinen mit dem sich ueberschneidendem Takt ihres Auspuffs bei voll geoeffnetem Regler unter weißen und schwarzen Wolken, die sie gegen den Himmel schleuderten, mit ungeheurem Getoese sich die Hoehe erkaempften. Es war ein Erdbeben und ein Vulkanausbruch zugleich...

Wie haette es erst sein muessen, wenn damals noch die 12, die gigantische 214, eingesetzt gewesen waere... Nun, bei der Fahrt im Jahr 1971, gleitet der Zug nach Durchqueren des Tunnels ruhig und gleichmaeßig ueber Wiesen und durch Waelder abwaerts nach Muerzzuschlag, wo der D 502 aus Rom mit einem Gespann 1042 wartet. In Kapfenberg steht ein Oldtimer mit Kobelrauchfang und in Bruck an der Mur sind Kriegslok 52 abgestellt. Und in Graz kommt wirklich eine 52 mit Kabinentender vor den D 517!

Gemessen setzt sich der Zug jetzt in Bewegung. Als er ein wenig Fahrt aufgenommen hat, draußen in der Ebene, ertoent der erste Pfiff: langgezogen, hoch, tief, hoch. Eines der beiden Gleise ist abgebaut und dabei war dies frueher die Hauptstrecke von Wien nach dessen Hafen Triest. Am Abend an der Grenze, in Spielfeld-Straß, hat die Luft den schwefligen Geruch der jugoslawischen Lokomotivkohle. Ein braunschwarzer Rauchpilz steigt ueber einer 1D1 der Reihe 06 empor. Schrill schleudert sie ihren Pfiff hinaus. Mit 30 oder 40 Stundenkilometern holpert nun der Zug ueber die vielen groben Schienenstoeße unter einer schmutzigen Rauchfahne in die Nacht hinein.

In Maribor bleibt der Bahnsteig abgesperrt bis die Zollkontrolle beendet ist. Gegenueber rangiert funkenspeiend eine 62 des amerikanischen Tenderloktyps. Die 06 stellt am Zugschluss drei Kurswagen und zwei jugoslawische Schlafwagen nach Belgrad bei. Nach der Enge in dem vollen Sitzwagen erscheint das in Aluminium und Neon glaenzende Schlafcoupe mit seinen blitzblank ueberzogenen Betten, dem dicken Teppich, der jeden Schritt verschluckt, mit seinem zum ordinaeren Bahnsteig hin verschlossenen Rollo und dem fließenden Wasser, warm und kalt, zum Waschen und Rasieren, wie der Luxus einer anderen Welt. Allein in so einem Abteil, bei abgedunkelter Beleuchtung, offenem Fenster und einem Belgrader Bier, einem "Pivo", durch den Abend zu schaukeln ist ein beinahe goettliches Vergnuegen. ...Bei einem kurzen Erwachen in der Nacht ist ringsherum neblige Ebene. Zweimal huscht ein Lichtschein aus tausend Fenstern vorueber, vielleicht der Tauern- und der Direct-Orient nordwaerts, zurueck. Der Rhythmus der Schienenstoeße schleicht sich als auslaendisches Lied in den Traum ein, der draußen in der Dunkelheit spielt, in einer kleinen serbischen Station, von der aus der Zug alleine weiterfaehrt, in die fremde Finsternis hinaus...


Express Beograd - Bucuresti, JZ 22 (ex-MAV 324), Beograd 1966 (WS)

Marmara-Express/ Direct-Orient Istanbul - Paris/ Muenchen, JZ 38 (UNRRA), Nis, Serbia 1971 (WS)


Marmara-Express/ Direct-Orient Istanbul - Paris/ Muenchen, JZ Pacific 05 014, Crveni Krst, Serbia 1968 (WS)


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