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T r a v e l s  -  R e i s e n




R u n d   u m   B u l g a r i e n



Istanbul-Express Istanbul - Dortmund/ Wien, TCDD 56.511, Istanbul Halkali 1969 (WS)



Istanbul-Express, SZD-WL Istanbul - Sofia - Moskva, TCDD 33.503 ex-Orientbahn (shunter), Uzunkopru, April 1974 (WS)


"Beschreibe: die Lokomotive
Beschreibe: der Schienen anfaelliges Metallgeflecht ueber dem Leib Europas
Beschreibe: den Kohlenwurf ins Feuerloch gekruemmter Ruecken bis Tschirpan oder Kjuestendil
oder wie die Weltenden heißen;..."

Guenter Kunert, "Hausaufgabe"




Svilengrad, bulgarische Ostgrenze, sechs Uhr frueh. - Irgendwo an einer Hauswand haengt ein kommunistisches Plakat im Morgengrauen. Endlos scheint der Aufenthalt. Dann faehrt auf dem benachbarten Gleis zischend eine antike griechische Kappa-gamma mit dem Marmara-Express/ Tauern-Orient aus Istanbul ein. Eine bulgarische Mikado 01 kommt an ihre Stelle, hellgruen mit rot angemalt, mit einem Gelaender neben dem Kessel nach russischer Art. Die schwarze Kappa-gamma kehrt mit einem zur Personenbefoerderung umgebauten Gueterwagen in ihre Heimat zurueck. Endlich setzt sich unser Istanbul-Express wieder in Bewegung, ostwaerts, an einem hohen Drahtzaun entlang, der sich bald neben einem neu gebauten Gleis im Norden verliert - der direkten Linie zur Umgehung Griechenlands. Nur ein paar Monate noch schaukeln in jenem Fruehjahr 1971 die Wagen auf der alten Strecke mit 40 oder 50 km/h ueber griechisches Gebiet, bevor sie die Tuerkei erreichen - zwischen ueberschwemmten Wiesen hindurch, dicht an gruenen Laubbaeumen vorueber, mit kunstvollen Dampfpfiffen, ein heiseres Hoch-Tief-Hoch als unaufhoerliches Diminuendo und Crescendo (Diminuendo and Crescendo in Blue, ein Musiktitel von Duke Ellington, kommt in Erinnerung), Froesche quaken in den Wassertuempeln beiderseits des einzelnen schwankenden Gleises in der Morgensonne, ein Storch fliegt auf, kein einziger Mensch ist zu sehen. Nach Ein- und Ausfahrt im tuerkischen Edirne, vorueber an Panzern und Wachtuermen, kommt der Zug im griechischen Pithyon zum Stehen. Es war jenes 73 km lange Teilstueck der Orientbahn, von der Entente nach dem 1. Weltkrieg als "Chemin de fer franco-hellenique" zwischen Griechenland und der Tuerkei zerstueckelt, welches der "Express" in 2 ¼ Stunden Fahrt durchquert hat.


Express (Istanbul-) Pithyon - Thessaloniki, CEH Lambda-beta, Alexandroupolis 1969 (WS)


In entgegengesetzter Richtung, hinter den wie Teekessel pfeifenden tuerkischen Maschinen - erst ein hohes Schnalzen, dann tiefer Ton, Trillern, hoch, dann ein tiefes Tremolo - kommen in jenen Jahren die internationalen Zuege aus der Tuerkei ueber die Meric-Bruecke herueber, auf der jeder Laufsteg fehlt, ueber deren Stahlkonstruktion die Halbmondfahne weht und an deren Enden sich tuerkische und griechische Soldaten gegenueberstehen. Griechische Reisende aus Istanbul werden in Pithyon von einem Schaffner freundlich, beinahe wie verlorene Soehne, empfangen. In Uzunkoeprue mussten sie an diesem Sommertag 1969 umsteigen und hier nochmals. In entgegengesetzter Richtung, zuerst den braunen Fluss Meric oder griechisch Evros entlang, dann an bunten Doerfern vorueber, spaeter durch ebene Steppe, hinter der blass das Ägaeische Meer schimmert, dampft der Zug Pithyon - Saloniki mit seinen zwei Gueterwagen, einem uralten Vierachser fuer Militaer, einem kleinen griechischen Gepaeckwagen mit Kueche und drei Schnellzugwagen in den Vormittag hinein. Der stille Hafen von Alexandroupolis wird in Rueckwaertsfahrt verlassen. Beim Lokschuppen bleibt der Zug stehen, damit seine Maschine, eine ehemalige englische Kriegslok Lambda-beta, Wasser nehmen kann. Nach weiterer Rueckwaertsfahrt setzt sich eine qualmende Schublok an den letzten Wagen. Die dann folgende Abfahrt ist ein Schauspiel: Ein Eisenbahner applaudiert, die Sicherheitsventile bruellen minutenlang, Kinder auf der Straße huepfen vor Freude, ein anderes haelt sich die Ohren zu. Am oberen Ende der Steigung kuppelt der Schaffner die Maschine auf freier Strecke ab. Von der anderen Seite erklimmt gerade der Schnellzug "Evros" von Piraeus nach Nea Orestias nahe der bulgarischen Grenze hinter zwei Lambda-beta die felsige Huegelkette. Gelbe Wiesen saeumen die Fahrt weiter ueber Komotini und Xanthi - Orte, in denen Mohammedanerinnen am Bahnsteig ihre Angehoerigen von jenseits der Grenze erwarten, in schwarze Tuecher gehuellt wie Frauen aus Arabien. Das war die Linie, auf der zwischen 1952 und 57 ein Schlafwagen Paris - Istanbul des Simplon-Orient-Express zur Umgehung Bulgariens gefahren ist, das ihm den Weg versperrt hatte.

Im Jahr darauf fuehrt eine Reise von Saloniki wieder auf dieser Linie nordostwaerts, nun aber hinter einer Alsthom-Diesellok A350. In Strymon wird der Kurswagen nach Sofia abgehaengt, am Grenzuebergang Kulata ist die Kontrolle des einzigen Reisenden eher eine freundliche Begrueßung und auch jenseits zieht eine Diesellok. Die ehemaligen deutschen Kriegslokomotiven, die bulgarische Reihe 15, sind seit dem Vorjahr aus diesem felsigen Durchbruch der Struma verschwunden. Abends geht es ueber eine Huegelkette und dann eine Steilrampe nach Sofia abwaerts, auf der einst Sechskuppler-Tenderlok Schwerarbeit leisteten. Jahre spaeter verkehrte hier ein sowjetischer Schlafwagen Moskau - Athen, waehrend des Bosnien-Konflikts fuhr hier ein Kurswagen Wien - Bukarest - Athen und waehrend des Kosovo-Kriegs war das der Weg sogar von Mitteleuropa nach Skopje.

Am Vormittag in Sofia bleibt gerade Zeit fuer einen Spaziergang durch den in der Sonne sich aufloesenden Morgennebel ueber die weiten leeren Plaetze vor dem Parteihaus im Stalin-Stil zur Alexander-Newski-Kathedrale, bevor der Dunav-Express (sein westlicher Name Danubius ist hier unbekannt) nach Moskau abfaehrt. Durch lichte Laubwaelder steigt seine Linie zum Balkan-Gebirge auf. In den großen Schleifen eines Flusstals schimmert weit entfernt das Rot-Weiß der Diesellok, das dunkle Gruen eines polnischen Wagens, das Koenigsblau des bulgarischen Speisewagens und das Hellgruen von acht sowjetischen Schlafwagen eines 16 Wagen umfassenden Expresszuges, dessen langsame Fahrt durch den Isker-Durchbruch vom vierzehnten Wagen aus, einem rumaenischen, mitzuerleben ist. Das war einst die Strecke der Mountain-Baureihe 03.

Draußen die Talwaende zeigen auffallend rotes Gestein. Beim Gang durch den Zug stehen einfache Leute, Maenner in Hemdsaermeln, Jungen in Trainingsanzuegen und eine Frau im Schlafrock in den breiten Fluren der russischen Wagen. Einige unter den geraeumigen Vierbettabteilen sind in Nachtstellung hergerichtet. Reisende liegen bei offenen Abteiltueren ungeniert in den Betten. Die Herbstsonne bescheint dabei eigenartige horizontale Felsschichtungen ueber dem tief eingeschnittenen gelben Fluss.

Zwischen den hohen Wagen im russischen Profil laeuft ein niedrigerer RIC-Schlafwagen erster Klasse. Am Ende seines menschenleeren Ganges dampft ein Samowar. Immer hoeher tuermen sich die Felsen. In dem Speisewagen mit schwarz-roten Drehsesseln brennt wegen der Tunnels die Neonbeleuchtung. Die Waende sind verspiegelt und auf den weiß gedeckten Tischen leuchten gelbe Servietten mit kyrillischem Monogramm. Der Ober in korrektem Schwarz serviert ein gutes Essen a la carte, waehrend sich draußen die nun ganz weißen Kalkfelsen in immer bizarrer werdenden Formationen zum Hoehepunkt des Iskerdurchbruchs reihen.

Nach Lokwechsel und langem Halt in Mesdra gleitet der Zug hinaus in die staubige Ebene. Am Abend, beim Rueckweg vom Speisewagen, versperren einige Maenner den Weg. In einem russischen Abteil hat sich eine Runde zusammengefunden und es muss mitgetrunken werden, aus der Flasche natuerlich. "Nemanskij" wundern sie sich... Im Speisesaal des Dunav-Hotels in Ruse geben sich Delegationen aus der DDR ein Stelldichein. Zu Kaviar und Grillspezialitaeten spielt dezent westliche Musik. In der Stadt, deren Hauptstraßen inzwischen der abendliche Korso fuellt, kriecht der kalte Nebel von der Donau her an den in k.u.k.-Prunk erstellten Fassaden empor. Die Vergangenheit der Eisenbahn, der englischen Bahngesellschaft Ruse-Varna, des Baron Hirsch und des Orient-Express wird in dem frueheren Bahnhof am Donaukai lebendig. Als Museum hergerichtet, gewaehrt er den Veteranen aus dem 19. Jahrhundert Asyl: ein Salon des Sultans, eine Lokomotive der Bahn Ruse - Varna und einer der Wagen, die von hier aus mit den Reisenden des Orient-Express ans Schwarze Meer gefahren sind, zum Anschluss an den Dampfer des Österreichischen Lloyd nach Istanbul. Nun sind dem Zug nach Varna drei hohe sowjetische Schlafwagen aus Moskau angehaengt.


Dunav-Express Sofia - Moscow with Soviet sleepers and Bulgarian diesel class 04, between Sofia and Mezdra, 1970 (WS)


Dunav-Express Moskva - Sofia, CFR 060-DA, Dunav, Ruse 1970 (WS)


Die Gegenwart, das ist die "Bruecke der Freundschaft", jene viele Kilometer lange Donaubruecke, die 1954 das Trajekt ersetzt hat, fuer die Verbindung der Sowjetunion mit dem Balkan. Hier kommt taeglich der Express aus Moskau herueber. Aber wird man an solch einen strategischen Punkt ueberhaupt hingelangen, geschweige denn dort ein Photo machen duerfen? Taxis stehen herum, sind "reserviert", eine private Klapperkiste faehrt dennoch hin, doch Halt, Wachposten, Grenzkontrolle. Aber was ist das? Man darf auf die Bruecke, nur ein Dokument muss hinterlegt werden, den Pass soll man sicherheitshalber behalten, der Fuehrerschein tut's auch. Wirklich, man kann im "Niemandsland" auf das Bauwerk gehen, nur soll man ja nicht auf die rumaenische Seite kommen. Die Straße fuehrt auf das Oberdeck des Stahltragwerks hinauf, darunter liegt das Gleis, tief unten sind die Donauauen und der riesige Fluss. Photographieren duerfte ausgeschlossen sein, von weitem wird man von einem Zivilisten gemustert, sicher ein Geheimdienstoffizier. Die Frage, ob man eine Aufnahme machen darf, ist wohl zwecklos - aber nein, er zeigt dem Westler einen guenstigen Kamerastandort, da solle man photographieren und so faehrt der Dunav-Express in der triumphalen Eingangspforte der "Bruecke der Freundschaft" vor die Kamera - rumaenische Diesellok 060DA, Gepaeckwagen, dann die hellgruene Reihe der sowjetischen Schlafwagen...

Am Bahnsteig in Ruse wartet anderntags der Personenzug nach Kurdschali. Eine Elektrolokomotive befoerdert ihn kurz darauf ueber die Huegelketten suedwaerts. Gegen Abend, hinter Varbanovo, folgen Tunnels einander in immer kuerzeren Abstaenden. Hoch oben, in alpiner Region, taucht der Zug in Nacht und Wolken ein. In dem nur spaerlich erhellten Abteil erzaehlt ein Kaufmann aus Pasardschik von seinem Großvater, der noch die Orientbahn des Baron Hirsch gekannt hatte und von jener gruseligen und boeswilligen Legende von seinem Tod: Als der Eisenbahnkoenig wieder einmal in seinen Tresorraum ging, um sein Geld zu zaehlen, schloss sich die schwere Stahltuere hinter ihm von selbst und blieb fuer immer zu...

Nach einer Übernachtung in Dimitrovgrad kommt am anderen Morgen anstelle des Marmara-Express/Tauern-Orient aus Istanbul nur ein bulgarischer Ersatzzug aus Svilengrad - wegen Cholera-Quarantaene. Die Mikado 01.17 zieht die sechs Wagen bis Plovdiv, wo eine Wechselstromlok Reihe 41 uebernimmt. Sie hat keine Muehe auf dem Gebrigsuebergang zwischen dem einstigen Ostrumelien und Sofia. Es war die Route, auf der die Reisenden des Orient-Express nach seiner Verlaengerung bis Nisch im Jahr 1885 in einer dreitaegigen beschwerlichen Kutschenfahrt nach Tatar Pasardschik und weiter auf der Orientbahn nach Istanbul gelangen konnten, bevor 1888 die Orient-Express-Strecke durch Bulgarien eroeffnet wurde.

Nun, an einem Oktobertag 1970, wartet in Sofia der Marmara-Express mit den Wagen nach Warschau, Paris und Muenchen, die in Belgrad waehrend eines einstuendigen Rangiermanoevers auf die Zuege Polonia-Express, Diect-Orient und Tauern-Orient verteilt werden. Eine dieselhydraulische 04 bringt ihn nach Dimitrovgrad JZ. Dort uebernimmt ihn eine jugoslawische Pacific 05 zur Fahrt durch die finstere Nischava-Schlucht in den Abend hinein...


Marmara-Express/ Direct-Orient Istanbul - Paris/ Muenchen, BDZ 01.06, Plovdiv, Bulgaria 1968 (WS)


Arlberg-Orient-Express Nach Bukarest! Paris-Carlsbad-Express Über den Semmering Rund um Bulgarien Nostalgie Istanbul Orient Express