Singapore – Colombo
(German text, photos WS)

Singapore – Dubai mit Stops in Sri Lanka und in Indien, in der 23-Millionenstadt Bombay – welch eine Gelegenheit. Aber: Iran’s damaliger Politiker drohte, jedes ausländische Schiff in der zu passierenden Strasse von Hormuz zu versenken, zumindest wenn die EU ihr Embargo gegen seine Atombomben-Ambitionen durchsetzt. EU terminierte es für den 2.Juli 2012, ein Angriff wurde nicht vor Mai erwartet und die Kreuzfahrt war für April angesagt – Glück gehabt. Inzwischen war die „Costa Concordia“ gekentert, aber wir hatten ja auf der „Costa Classica“ gebucht, nochmals Glück gehabt. Für Indien braucht man ein Visum, na ja, dann eben zum Generalkonsulat – denkste. Das Visum gibt’s woanders, geschlossen, muss ein indischer Feiertag sein. Ein Formular? Nein, nur on-line. Namen und Geburtsort von Vater und Mutter, zum Glück nicht Pakistan. Hoteladresse in Indien – aber ist nicht das Schiff das Hotel? Nach drei Tagen ist das Visum da und der Chef wünscht eine gute Reise, mit indischer Herzlichkeit… Aber: fünf Tage vor Abflug ist das Kreuzfahrt-Ticket noch immer nicht hier. Es kommt, und nach einem erleichterten Osterfest bringt uns die Emirates mit einem wunderschönen Tagesflug über die malerischen Cumulus-Wolken des Indischen Ozeans nach Singapore.


Singapore


Raffles Hotel, Singapore

Phantastische Tage in der Metropole Singapore – welch eine Stadt, welch eine Welt! Hochhäuser, dazwischen Kolonialbauten, das ehrwürdige Raffles-Hotel, die St. Andrew’s Church und die Wolkenkratzer über den kleinen bunten Altstadthäuschen am Singapore River – dazu die Sauberkeit, der disziplinierte Strassenverkehr, die moderne Subway, die hübsche Mode der Mädchen, egal ob europäisch, indisch oder islamisch, sie leben in Frieden im Paradies Singapore.

Eine Taxifahrt führt am Boarding-Tag, dem 13.April 2012, auf schnellen Strassen durch grüne Parks, zwischen neuen Hochhäusern hindurch und an einem immensen Container-Terminal vorüber zum Harbour Front Cruise & Ferry Centre – und da liegt die „Costa Classica“ am gleichen Kai wie die renovierte „Super Star Virgo“ von Star Cruises. Einchecken, boarding, der Zollbeamte fragt nach dem Herkunftsland. „Germany“ – „Danke“, antwortet er auf deutsch. – „Bravo. Aber da waren doch auch Russen“ - „Spasivo“, sagt er perfekt auf Russisch. Das 53700gt-Schiff von 1991 ist schön, saubere italienische Innenarchitektur, nicht postmodern verziert. Hinauf aufs Oberdeck! Auf einem Damm nach der nahen Insel Sentosa fährt der farbige Monorail Sentosa Express und über dem Schiff schwebt die Seilbahn dorthin. Zum späten 2. Dinner sind gerade noch zwei Plätze frei, die Tischgenossen sind Polen, „Welcome“, sie kamen per Flug via Amsterdam. Und gegen Mitternacht, am offenen Deck – nein, das kann doch nicht wahr sein – doch, es ist wahr, er ist es, unser Freund von der Kreuzfahrt vor drei Jahren an der Piratenküste von Afrika entlang. Er kreuzte inzwischen mit der Holland America Line sogar den Amazonas aufwärts – wie klein ist manchmal die Welt…


Singapore, Monorail

Singapore


Singapore Port

Noch ein Tag in Singapore steht auf dem Programm. Wie wär’s mit der spektakulären Marina Bay oder, ganz anders, nochmals mit der Subway zum Singapore Changi Airport, wo alle paar Minuten eine Air Asia oder eine JetStar hereinkommt oder rausgeht, die ‚low-cost’ Airlines, dazu die Langstrecken-Jets, das ist die Gegenwart, die Zukunft. Die Eisenbahn nach Malaysia wurde in Prospekten schon vergessen… 17 Uhr 45: Rettungs-Drill an Bord, dann werden die Leinen losgemacht. Ablegen, die Fahrt geht an den Hochhäusern vorüber (eine Tower-Gruppe sieht aus wie „einstürzende Neubauten“, die hätten besser nach Old Europe gepasst), dann an einem endlosen Containerhafen entlang unter einem grauen Regenhimmel auf die Ölraffinerien zu, und hinter den Schloten öffnen sich die Wolken zu einem roten Sonnenuntergang. Die Lichterketten bleiben in der Nacht zurück, es geht nordwärts auf Malaysia zu.


„Depuy de Lome“, Kelang, April 2012


Kuala Lumpur, Palace

Petronas Towers


„Costa Classica“, Kelang

Am anderen Morgen durchkreuzen wir den 11 Meilen langen Selat Klang Selatan, welcher uns zum Hafen Port Klang führt, so steht es im Bordblatt. Jemand hat eine Warnung vor den Piraten in der Strasse von Malacca gelesen, doch sie erwies sich zum Glück als unnötig. Schon vor dem Frühstück liegt die „Costa Classica“ am Pier des Cruise Terminals Kelang neben einem kleinen merkwürdigen Schiff, der „Depuy de Lome“. Eine Taxifahrt führt über grosszügige Autobahnen (Achtung: Linksverkehr!) an Vororten inmitten tropischer Vegetation vorüber nach Kuala Lumpur oder einfach KL, wie die Hauptstadt Malaysias auch genannt wird. Der Fahrer bringt uns gleich an den richtigen Platz, den neuen Königspalast, prächtig zwischen Parks auf einem grünen Hügel angelegt. Dann geht’s zum alten Bahnhof, einem Denkmal kolonialer Architektur, zum englischen Cricket-Platz, zum Palast Sultan Abdul Hamed – und aus weiter Ferne grüssen schon die Petronas Towers, das neue Wahrzeichen von Malaysia. Erstaunlich und überwältigend ist ihre Architektur, weder klassisch modern noch post-modern, futuristisch auf jeden Fall und doch irgendwie an Tempel-Türme erinnernd (von dem argentinisch-amerikanischen Architekten Cesar Pelli und seinen malaysischen Partnern entworfen), einfach grossartig. Das bisschen Chinatown ist dagegen nichts. Auf der Rückfahrt rollt irgendwo parallel ein elektrischer Vorortzug, noch nicht der chinesische High-Speed, welcher vielleicht einmal von China über Laos und Thailand nach Singapore eilen soll. Zumindest ist das ein publizierter Traum in diesem Teil der Welt, in dem „Zukunft“ ein Ziel ist.

Nachdem die letzten Zuspätkommer an Bord angelangt sind, fährt die „Costa Classica“ an dem auch hier die Zukunft signalisierenden Container-Terminal und an einer tropisch-tiefgrünen Insel vorüber in die Nacht hinein. Nach dem Dinner ist im Theater Colosseo eine Gesang-Show mit Angela angesagt und sie, eine wirkliche Sopranistin, singt von Italienisch bis Edith Piaf, von „Kalinka“ auf Russisch bis zum Jodler auf Schweizerisch und zum Abschluss „Volare, cantare“ zum Mitsingen. Dann, am Oberdeck, ein bisschen „charlar en Espanol“ und Beisammensitzen mit Polen und Russen, alle friedlich vereint. Die Russen werden von Dubai aus mit der ukrainischen Aerosvit nach Hause fliegen. Das ist Völkerverständigung.


Thailand, Phuket

Montag, 16.April: Sonne bescheint das Deck, Wolkentürme weit weg, fern das Festland, Inseln davor, von dunkelgrünem Urwald bedeckt. Und eine schwarz-graue Regenfront kommt näher, wie ein Bühnenvorhang, der zugeht. Der Vorhang macht wieder auf, ein Kap an steuerbord wird umrundet, Hochhäuser zwischen Tropenwald tauchen auf, Hotels – es ist die Insel Phuket, das bekannte Urlaubsparadies von Thailand. Die „Costa Classica“ ankert in der Bucht, lokale Boote bringen die Passagiere an Land an den quirligen Strand, es ist Patong. Handeln mit Taxifahrern, Dollars, Baht, und auf der fast offenen Ladebrücke eines winzigen Lieferwagens geht es an unzähligen Marktständen, Kneipen, Wellness-Läden vorüber durch den turbulenten Strassenverkehr zwischen Regenwäldern hügelauf, hügelab (wie da überholt wird, links oder rechts, wie beim Grand Prix), vorüber an Reitplätzen mit Elefanten, hinauf auf den heiligen Berg zu der 30 Meter hohen Big Buddha-Statue. Einige Minuten besinnliche Ruhe inmitten von all’ dem Trubel – und zurück nach Patong, nochmals handeln, feilschen, ein Kompromiss in Dollars, und ab aufs Schiff. Was für ein Tag, Asien, Leben… An Bord ist abends einem Costa-Offizier zu begegnen und, tatsächlich, er arbeitete auf der „Costa Victoria“, als diese uns zwei Jahre zuvor von Buenos Aires nach Italien gebracht hat. Man bewundert die Aktivität Asiens, sieht die Ungewissheit Europas, doch zum Schluss einigt man sich auf das Prinzip Hoffnung des grossen Theologen und Philosophen Pierre Teilhard de Chardin, welcher der Menschheit das höhere Ziel der „Noosphäre“ vorausgesagt hat. Und vom Festland herüber grüssen die Lichter.

Die „Costa Classica“ liegt noch bis zum nächsten Nachmittag in der Bay. Nochmals per Tender nach Patong: In dem Gewühl der Mopeds stehen da die Mercedes-Linienbusse nach der Stadt Phuket. Dann geht es an Bord. Das Schiff setzt sich in Bewegung, ein Gewitterregen nimmt jede Sicht, der Kapitän stoppt die Fahrt. Vorsicht sei immer gut, das Unwetter geht schnell vorüber und nun wird Kurs genommen auf die offene See. Tags zuvor hatte es von der meteorologischen Station eine Tsunami-Warnung gegeben, zum Glück nur ein übervorsichtiger Fehlalarm (welch eine Sensation hätte die Presse im fernen Europa daraus machen können). Weisse Wolkentürme brauen fernab, begleiten das Schiff auf seinem Kurs, nun in West-Südwest-Richtung.

Beim Abendessen gibt es interessante Gespräche mit den Tischnachbarn. Einer konnte 1959 mit einem östlichen Kreuzfahrtschiff von Rumänien nach Ägypten reisen und er flog auch nach Castros Cuba, aber als seine Frau nach 1963, dem Jahr des Mauerbaus, in der DDR nach einer Cuba-Reise fragte, wurde sie verhört, beinahe verhaftet. Ein anderer fuhr von Warnemünde nach Cuba mit der „Arkona“, der einstigen ersten „Astor“ von 1981 – aber natürlich nach der Wende. Showtime dann im Theater Colosseum: American Doodle, ein Betrunkener kommt zu einem Zuschauereingang herein, torkelt, fällt – und führt Saltos auf, vorwärts, rückwärts, welch ein Clown, welch eine Show…


Captain’s Gala, Costa Classica Show

Nächster Morgen, die See ist ruhig, Wolken brauen fernab am Horizont. Nachmittags zieht ein Gewitter vorüber. Am Abend findet das Gala-Dinner statt und mit all’ den Gängen ist es tatsächlich gut. Nach der ersten Sitzung antreten zum Willkommens-Cocktail von Captain Marco Derin und anschliessend, im Theater, bricht die Afro Arimba Show los, phantastisch, toll, einfach crazy… Der andere Tag, der zweite auf offener See, ist still. Es regnet, regnet, regnet. Die kleine Kapelle, in der ein italienischer Priester die Heilige Messe liest, ist der Platz der Andacht. Am Abend, im Colosseum, ist die „Costa Classica“ in Italien angelangt. Tenor Alberto Jelmoni singt, beim Rausgehen kann man ihn fragen, ob die vorletzte Arie aus Norma war – „no, Turandot“, antwortet er. Gegen Mitternacht, vom offenen Deck aus, sind an steuerbord Lichter zu sehen, Frachter, die auf Reede liegen, und dahinter eine Stadt. Es müsste Galle sein, ganz im Süden der Insel Ceylon, im Reiseführer beschrieben als ein einst mächtiges Fort der Kolonialzeit. In Galle hatten einst die P&O Liner auf dem Weg nach Australien Station gemacht, aber schon 1862 wechselten sie nach Colombo.

Aus dem Schlaf weckt morgens das Rumoren der Thruster. Das Schiff hat am Pier im Hafen von Colombo festgemacht, der Hauptstadt von Sri Lanka, dem einstigen Ceylon. Frühstück auf dem Oberdeck, nebenan ist der Container-Hafen und gegenüber, am anderen Pier, liegt „The Wonder of Asia“ – und es ist tatsächlich wie ein Wunder: Dieser „Jetliner“ von Sri Lanka nahm den regulären Liniendienst nach Ramaswaram in Indien auf, so versichert zumindest die Hafenpolizei, nachdem die ursprüngliche Fähr-Route von der nördlicheren Hafenstadt Talaimannar nach Ramaswaram wegen des blutigen Bürgerkriegs der Tamilen für Jahrzehnte unterbrochen war. Das Schiff ist ein Hi-Speed, sieht aus wie ein altes englisches und in der Tat ist es später im Internet als der „Jetliner“ der P&O Irish Sea zu identifizieren. Ein Fussmarsch führt an dem Gebäude der Port Authority und anderen ehrwürdigen Kolonialbauten vorüber, eins davon das Oriental Hotel, und weiter geht’s mit einem Tuck-Tuck zu einem Tempel, einem Hindu-Heiligtum, dann zum Buddha-Tempel und zum Bahnhof Colombo Fort Railway Station. Eine Diesellok W3 hat einen Regionalzug reinrangiert, Menschen stürmen ihn, Frauen in wunderschönen Saris, Kinder, und trotz des Trubels sind alle freundlich, auch die Polizisten. Der Trubel geht weiter im Strassenverkehr, mehr ein Geschicklichkeitssport. Zurück auf dem Schiff – Ausruhen, nichts als Ausruhen, und das Bewusstsein, zum erstenmal in Colombo gewesen zu sein… Abends, nach dem Ablegen, bleiben die Lichter des neuen Container-Terminals in der Dunkelheit zurück. „Guat’s Nächtle“ wünschen die Nachbarn, diesmal Schweizer.


Colombo Port


„Jetliner“, Colombo 2012