India - Dubai
(German text, photos WS)

Ein Tag auf offener See, ein friedvoller Himmel, nicht mehr die Cumulus-Wolken der Bay of Bengal. Am Abend Flamenco-Show, hinreissend, mitreissend. Noch mehr phantastisch ist am anderen Morgen der Blick vom Deck der „Costa Classica“ auf die Bucht von Male, der Hauptinsel und Hauptstadt der Malediven. Und noch eine Überraschung: Ein anderes Costa-Schiff liegt da. Was wohl? Das gleiche, das uns von Argentinien nach Europa gebracht hat, das uns in der Adria und in der Ägäis so oft begegnet ist, dass wir schon sagten, sie verfolgt uns. Und nun hat sie uns bis in den Indischen Ozean verfolgt: die „Costa Victoria“ auf einer Abfolge von Kreuzfahrten von Buenos Aires über Italien und Dubai nach Singapore.


„Costa Victoria“, Male 2012

Nicht genug: Hinter der markanten Silhouette sind Flugzeuge im Anflug, landen auf der im Meer aufgeschütteten Runway einer separaten Insel. Eine Emirates, sogar eine Edelweiss aus der Schweiz, eine Condor, eine Aeroflot startet und das grösste, ein Jumbo der russischen Transaero. Es ist Sonntag, der Tag der Touristenflüge. Und wie müssen die Russen in diesem Ressort wohl feiern… Doch das Costa-Bordblatt spricht einige Warnungen aus, Monate zuvor hatte es hier politischen Rabatz gegeben, Alkohol ist verboten, man darf nicht mal jemandem eine Zigarette anbieten, und die Frauen dürfen in Male nur von Kopf bis Fuss voll bekleidet baden. Sie dürften’s im Bikini auf den separaten Touristen-Inseln, dort gibt’s auch Wodka und Whisky, doch kein Einheimischer darf dort hin. Costa-Tender und Boote schaukeln die Passagiere an den Kai von Male, die Menschen hier sind freundlich, gelassen, der Verkehr ist nicht so turbulent wie in Colombo, die vergoldete Kuppel der schönen neuen Moschee glänzt in der Sonne, und ständig legen lokale Boote nach den verschiedenen Inseln ab. Am Sea House sind es die kleinen weissen Hi-Speeds des „Airport Express“, welche die Passagiere nach Hulule bringen, der Insel des International Airport. Am besten sind die anfliegenden Flugzeuge vom „Artificial Beach“ aus zu beobachten, dem einzigen Strand der Hauptstadt, dorthin geht es am anderen Tag. Und da baden die Frauen wirklich vermummt, aber auch Männer schwimmen im T-Shirt. Doch eine Art von Gleichberechtigung? Nach dem schweisstreibenden Fussmarsch in der tropisch-feuchten Hitze dann an Bord ein Bier, das es an Land nicht geben darf – das ist soooo kühl.


Airport Express Male – Hulule


„Costa Victoria“, Male 2012

Am Abend setzt sich die „Costa Classica“ langsam in Bewegung, nahe am beleuchteten Flugplatz und am „Artificial Beach“ vorüber, süd-ostwärts, dann nordwärts. Nach einer Stunde sind immer noch die Lichter des International Airport zu sehen, dann andere, es kann nur ein regionaler Flugplatz einer abgelegenen Insel sein. Abschied von den Malediven… Erholung auf See ist das Motto für den nächsten Tag.


Vasco da Gama, Goa Marmugao


Goa, Bom Jesus, Santa Katharina

Mittwoch, 25.April 2012: Einzelne Inseln zeichnen sich im Morgendunst ab, dann wird ein Kap mit tropischer Vegetation umrundet. Das Schiff bewegt sich in eine Bucht hinein. Frachter liegen da, zwei Schlepper kommen, um zehn Uhr legt das Schiff am Kai an. Eine Musikkapelle spielt zum Empfang, im Hintergrund wird Schüttgut geladen und zwischen Palmen stehen bunte Häuschen auf einem Hügel. Die Passagiere werden von weissen Bussen erwartet, zwei tragen portugiesisch klingende Firmennamen – wir sind in Goa angekommen und das portugiesische Erbe scheint hier noch nicht ganz entschwunden zu sein. Vasco da Gama ist die Stadt, hier landete der Entdecker und von 1510 bis 1971 war Goa portugiesisch. Der Hafen heisst Goa Marmugao. Ein Taxifahrer bringt uns, vorüber an kleinen Häusern, Läden, Kingfisher-Bier-Reklamen und Kapellen, durch turbulenten Strassenverkehr, entlang einer Bay (irgendwo liegt ein merkwürdiges stromlinienverkleidetes Passagierboot vor einer Werkstatt, irgendwo kreuzt eine Eisenbahn eine Bucht), durch immergrüne Wälder nach Velha Goa, dem alten Goa, und dorthin, wohin wir wollten: zur Kathedrale der Heiligen Katharina und zur Basilika Bom Jesus. Vor einem halben Jahrtausend erbaut, ist sie immer noch das Refugium der vielen Christen, die hier leben, friedlich vereint mit den Hindus. Hier ist Jesus heute näher als sonst wo. Auslaufen aus Goa Marmugao gegen 19 Uhr, das Festland und die Inseln bleiben zurück. Zum Schluss sind es nur mehr die Lichter der Frachter in der Nacht auf der Fahrt nordwärts in die 23-Millionen-Megastadt Mumbai, das neue Bombay.


Bombay, Mumbai, Taj Hotel

Donnerstag, 26.April 2012. Die „Costa Classica“ läuft ein in die Bucht. Hitze, Sonne, Dunst, es ist nicht die Monsun-Zeit. In hellen Tageslicht erstreckt sich an backbord die Silhouette der Megastadt. Hochhäuser im Hintergrund, davor auch ältere Gebäude sind zu erkennen und wirklich, neben einem Gründerzeitbau klein das Gateway of India, das Symbol für die Ankunft in Indien. Und das Gebäude daneben ist das Taj Hotel, das renommierteste aus der Kolonialzeit. Langsam wird das Schiff an den Kai manövriert, zum International Cruise Terminal am Ballard Pier, dem Platz an dem vor mehr als einem halben Jahrhundert die Postdampfer der Peninsular & Oriental, der P&O, aus England angelegt haben. Dort wartete damals der Expresszug „Imperial Indian Mail“ zur Fahrt nach Calcutta Howrah. Ein Bahnhof ist hier nicht mehr zu erkennen, Kriegsschiffe liegen da, doch Türmchen und Kuppeln im Hintergrund könnten die Victoria Station anzeigen, den wichtigsten Bahnhof Indiens, damals. Ein Spaziergang vor fast vierzig Jahren hatte zu Fuss dorthin geführt, und auch zum Gateway of India. Damals konnte man die Strassen noch überqueren. Heute aber quillt die Megastadt über von Verkehr, es gibt zu wenige Ampeln und eine Subway ist erst in Bau. Ein Fussmarsch wäre ein Todeslauf und dazu die tropisch-feuchte Hitze – also ein Taxi nehmen, die Angebote am Port Gate kann man ohnehin kaum ablehnen. Der Fahrer kämpft sich durch den Verkehr, Zentimeter um Zentimeter an Autos und Motorrädern vorbei, unendliches Gehupe erfüllt die Luft und so geht es zur inneren Bucht, der Back Bay, und den Marine Drive entlang (ein Zug hat dort gerade den Churchgate Bahnhof verlassen), hinauf zum Iskon Girgaum Tempel der gläubigen Hindus, zum Aussichtspunkt an den Hängenden Gärten, an einer Menschenmenge zur Vorbereitung einer Hindu-Hochzeit mit unzähligen Schönen in malerischen Saris vorüber zum Gateway of India. Dort stürmen die Menschen die einfachen lokalen Fähren, das Taj Hotel liegt im Hintergrund, und zum Schluss geht’s an den Victoria Terminus. Bombastisch, kolonial-britisch ist er schon von aussen, doch wie kommt man da überhaupt hinein, wie bringt der Taxler es fertig, einen Parkplatz zu finden, zwischen Händlern, am Boden Schlafenden und Kindern? Vor Jahrzehnten, in den 1970ern, hatte hier die eigene Schlafwagenfahrt nach Agra begonnen, zum Taj Mahal – aber heute, in dem Menschengewühl, wie sollte man da mit Koffer überhaupt hinein kommen? Der Taxifahrer führt zu Fuss, die Bahnhofshalle ist ein riesiges Lager von Menschen, Familien, Kindern, bewacht von bewaffneten Polizisten. Wenige Züge fahren ein, ein Fernzug mit Elektrolok steht da, konventionell und unscheinbar, weiter hinten ein blau-cremefarbener Express, daneben die Vorortzüge (wie anders ist es doch etwa in Shanghai, wo die Warteräume strikt getrennt sind, niemand ohne Security Check überhaupt in den Bahnhof kommt und alle paar Minuten ein High-Speed ein- oder ausläuft). Victoria Terminus, jetzt heisst er Chatrapathi Shivaji, für Fremde unaussprechlich. Vor Jahrzehnten war einer wundervollen indischen Lady namens Victoria zu begegnen – gibt es heute überhaupt noch indische Victorias? – „No, they disappeared“, verschwunden, sagt der Taxifahrer. Vorüber an langen Reihen geparkter Reisebusse, offenbar Schlaf-Busse, fährt er zurück zum Cruise Terminal von Mumbai, wie die Stadt nun offiziell heisst. Aber den Namen Bombay kennt jeder hier, er entschwand nicht.


Mumbai, Gateway of India


„Nautica“, Mumbay 2012

Victoria Station


Victoria Station

Am anderen Morgen liegt am Kai noch ein anderes Kreuzfahrtschiff, die „Nautica“ von Oceania Cruises, die frühere „R Five“, auf dem Weg von Japan ins Mittelmeer. Und, wie immer, der Blick vom Oberdeck über die Kriegsschiffe hinweg auf die Stadtsilhouette nimmt gefangen (würde man vom Kai aus photographieren, könnte man gefangengenommen werden, denn es ist verboten). Ablegen pünktlich um 18 Uhr, Kurs näher auf die umliegenden Inseln zu, weg von den vielen Frachtern, die hier liegen, dann westwärts, der blass versinkenden Sonne hinterher. Bombay bleibt im Dunst zurück. Lichter und spät abends nochmals Lichter sind der letzte Gruss von Indien.


Bombay goodbye …

Im Abendprogramm an Bord steht diesmal nicht eine professionelle Show, sondern eine Darbietung der Besatzung, von asiatischem Tanz bis zu italienischer Tarantella. Von Dubai aus wird das Schiff auf eine Kreuzfahrt ins Mittelmeer gehen und dort soll es von Triest aus kreuzen, dem einstigen Hafen des Österreichischen Lloyd. Am anderen Morgen ist der Himmel klar und bei ruhiger See führt der Kurs nach Nord-West. Das Fernsehen zeigt politische Krawalle in Kuala Lumpur, Tage nachdem wir dort waren, da hatten wir nochmals Glück gehabt. Und eine glückliche Reise war es überhaupt, ein Grund dem Personal beim Gala Dinner zu danken, dem Kapitän bei der Abschiedsparty im Colosseo und der Afro Arimba Tanzgruppe bei einer „Fiesta Fantasia“. Auch am nächsten Tag ist die See, das Arabische Meer, hier ruhig und die Sonne scheint. „Durch die wechselnden Richtungen der Strömungen bilden sich Monsune im nördlichen Teil des Ozeans“, berichtet das Bordblatt, aber um diese Jahreszeit ist es ruhig. Der erste Tanker ist zu sehen und natürlich kreuzen viele das Arabische Meer auf dem Weg zu oder von den Ölhäfen in Arabien oder im Iran, passieren die Strasse von Hormuz und den Golf. Es ist Sonntag, die Abendmesse findet im Colosseo statt, Zeit um Gott zu danken für alles…

Wir sind gut durch die Strasse von Hormuz gekommen. Aufwachen, die Sonne steht schon am Himmel. Und draussen, kaum zu glauben, da ist sie, die „Göttin der Ozeane“ – die „Queen Elizabeth 2“, Zuflucht in Dubai. Wir sind im Hafen Port Rashid angekommen. Hinter der Silhouette der „Queen“, hinter Hafenbaustellen, ragen die Hochhäuser im sonnigen Dunst, fern im Hintergrund das höchste der Welt, der Burj Khalifa. Und über all’ dem donnern die startenden Flugzeuge vorüber, meist Emirates, eins nach dem anderen, ohne Ende.

Eine Taxifahrt führt durch das Gelände des Port Rashid, über neue Strassen wie Rennpisten, an der strengen Hafenkontrolle vorüber hinaus auf eine Art Stadtautobahn, alles von Grün umsäumt (und dabei ist es fast 40 Grad heiss und die Wüste so nahe), an Moscheen vorbei, alles neu und so sauber. In die Al Jumeira Moschee führt der Taxifahrer hinein – „we all believe in God“, sagt er leise, „wir alle glauben an Gott.“ Rast am Jumeira Beach, dem Strand, im Hintergrund grüsst das Burj Al Arab, das 7-Sterne-Hotel. An gepflegten modernen Wohnhäusern und an Villen mit eigenem Ufer vorüber geht es nach Palm Jumeira, auf die erste der künstlichen Inseln im Meer, zum Hotel Atlantis. Hinter dem tropischen Park fährt die Monorail, beim Eingang stehen Rolls-Royce, Bentley, Lamborghini, Porsche, und ein Hummer fährt vor, dreimal so lang wie der vom Schwarzenegger. Wieder Stadtautobahn auf dem Festland, bis zu 12-spurig, irgendwo ist der neueste Mercedes-Supersport geparkt, in Deutschland noch nicht gesehen, und wieder Hochhäuser, Banken, Wolkenkratzer. Die Menschen sind schön gekleidet, Araber in Weiss, Frauen in Schwarz, manche verschleiert, andere in europäischem Chic, Herren in eleganten italienischen Anzügen. So kann die moderne Welt aussehen, wenn sie friedlich ist. Dann der Höhepunkt: Natürlich ist es der Burj Khalifa, 828 Meter hoch, 2010 fertig gestellt, entworfen von SOM Chicago, den Architekten, welche die Tradition des legendären Mies van der Rohe weitergeführt haben, unter Leitung von Adrian Smith, Statik-Ingenieur Bill Baker und dem Team. Es ist nicht nur das höchste, sondern auch das schönste Hochhaus der Welt, ein Turm, kein Haus. Am Abend erst, wenn im Vordergrund die Wasserfontänen der „dancing fountains“, der „tanzenden Springbrunnen“, in die Höhe schiessen, besiegt seine schlanke Spitze sogar die Mondsichel als Blickfang am nächtlichen Himmel…


„Queen Elizabeth 2“, Dubai Port Rashid, 2012


Dubai


Burj Khalifa