La Plata - Atlantic
(Photos WS, text in German)


Buenos Aires, el Congreso

Buenos Aires, die 11-Millionen-Metropole, die schon vor hundert Jahren an Pracht Madrid ü:bertreffen sollte und sie tat es, mit der zwanzigspurigen Avenida 9 de Julio, dem Congreso, der mit dem Capitol von Washington wetteifert, dem Teatro Colon, das in Akustik die Mailänder Scala ü:bertrifft, den Banken, dem Leben in den Strassen (an einer Ecke wird jeden Abend Tango geboten, an einer anderen Jazz), der Avenida Florida mit den Modegeschäften von italienischer Eleganz, dem historischen nationalen Flughafen Aeroparque, von dem aus alle paar Minuten eine Maschine ü:ber die Stadt hinweg donnert (nur noch wenige Fernzü:ge sind in den ehrwü:rdigen stählernen Hallen der Bahnhö:fe Conception und Retiro zu sehen), dem Darsena Norte, wo die Hi-Speed-Fähren aus Uruguay einlaufen (am Terminal Buquebus ist die weisse "Atlantic III" und die weiss-blaue "Albayzin" zu sehen, welche auch schon in Neuseeland Dienst getan hat, während der Terminal Ferrylineas Argentinas gerade leer ist) und schliesslich, an einem Samstag, dem 20. März 2010, die Taxifahrt ü:ber die Avenida mit dem bezeichnenden Namen de los Immigrantes hin zu dem Terminal Portuaria zur Einschiffung auf der "Costa Victoria" fü:r die Reise nach Europa - alle diese Impressionen weichen einer befreienden Gelassenheit nach dem Platznehmen und dem Sich-Ausstrecken auf dem Liegestuhl am offenen Deck 12.

Hoch ü:ber dem Hafenbecken, jenseits von Antepuerto und Darsena Norte, tü:rmen sich die gläsern spiegelnden Wolkenkratzer, auf der anderen Seite ist das Ozean-Terminal aus der Grü:nderzeit mit seinen zwei Tü:rmen hinter Lagerhallen verborgen und unten, auf den Kais, sind unzählige Container gestapelt. Unter den vielen Labels fällt "Hamburg-Sü:d" auf - der Name jener Reederei, die neben Royal Mail und Sud-Atlantique den Sü:datlantik zur Zeit der Ozeandampfer beherrscht hat. Und in die eigenen Gedanken tritt die Erinnerung an den Onkel, der als Ingenieur im einsamen bolivianischen Oruro und dann im lebendigen Buenos Aires gearbeitet hat und gegen Ende der 30er-Jahre von hier aus in die Heimat zurü:ck gereist ist, wo er den Krieg nicht ü:berlebt hat.

19:00 Safety Drill, 20:00 Ablegen. Und ein orange-gelber Himmel, durchzogen von dunklen Wolkenbändern, krö:nt eines der phantastischsten Szenarien, die man sich vorstellen kann: Die Lichter der Wolkenkratzer von Buenos Aires an steuerbord und dazu - es wird immer dunkler - als ob es noch nicht genug wäre, auf der anderen Seite die Mondsichel...


Buenos Aires, adios


Welch eine Abreise aus Buenos Aires! Auch nach einer Stunde, von der Pizzeria aus, sind an steuerbord noch die Lichterketten zu sehen. Und an backbord, weit entfernt, tauchen andere Lichter auf. Es muss Colonia in Uruguay sein, der Endpunkt der meisten Fähren aus Buenos Aires und Tigre. Das Merkblatt an Bord informiert: "Gegen 24 Uhr, nach Durchquerung des Banco Chico Kanals, werden auf der rechten Seite des Schiffes die Lichter des Leuchtturms von Alalya sichtbar." Da schlafen wir schon. Beim Frü:hstü:ck liegt die "Costa Victoria" bereits im Hafen von Montevideo unter einem grauen Wolkenhimmel. Nebenan ist der Fährhafen von Buquebus, wo die Omnibusse parken, welche die Fährpassagiere aus Colonia hierher, in die Hauptstadt von Uruguay, bringen. ü:berragt wird das Hafengelände von den Kränen des Container-Terminals und von dem wuchtigen Gebäude des Comando General de la Armada. Durch die engen Gassen der Altstadt geht es zu Fuss ins Zentrum und alles ist ü:berraschend leer in dieser "nur" 1,5 Millionen Einwohner zählenden Metropole, denn es ist Sonntag. In der Kathedrale liest der Bischof eine Messe, dann fü:hrt der Weg weiter durch die Puerta de la Ciudela, das Jahrhunderte alte Stadttor, auf die Plaza de la Independencia zu Fü:ssen eines Grü:nderzeit-Wolkenkratzers, des Palacio Salvo, der ungeheuerlich verziert, ziseliert wie eine Skulptur, die Plaza und als Wahrzeichen die Stadt Montevideo dominiert.


Montevideo, Palacio Salvo

Zu unserer Kindheitszeit war fü:r die Deutschen ein anderes "Haus in Montevideo", das aus dem Film mit Heinz Rü:hmann, das imaginäre Symbol fü:r diese Stadt. Ein echtes Symbol fü:r die Geschichte fällt beim Rü:ckweg zum Schiff auf, nämlich ein kleines Denkmal mit einem Anker. Er ist ein Relikt von dem deutschen Panzerschiff "Admiral Graf Spee", welches am 17. Dezember 1939 in aussichtsloser Lage durch Selbstversenkung im Rio de la Plata sein Ende gefunden hat. Der Kapitän Langsdorf hat so seine Besatzung vor einem sinnlosen Tod bewahrt. Er selber erschoss sich in Buenos Aires und sein Sarg durfte gemäss seiner Verfü:gung nicht mit Hitlers Hakenkreuz-Fahne bedeckt werden, sondern mit der kaiserlichen Kriegsflagge.

Der Himmel hat sich verdü:stert und am Nachmittag geht ein Regen ü:ber Montevideo nieder. Es wird doch nicht schon der Winter aus der Antarktis sein? Um 19 Uhr 30 legt das Schiff ab. Ein Schlepper begleitet das Manö:ver (wie schwierig mag das mit der "Queen Mary 2" gewesen sein, als sie hier war). Im Fährdock liegt ein Hi-Speed von Buquebus im Dunkeln. Lichterketten zu beiden Seiten der Bucht begleiten die Ausfahrt. Nach einiger Zeit dreht das Schiff nach backbord und lange noch sind die Lichter von Montevideo zu sehen.

21 Uhr 30: Show in der Festival Lounge, dem zweistö:ckigen Theater auf Deck 6 und 7 im Achterschiff, argentinisch, brasilianisch, Tango und Samba. Vor Mitternacht kö:nnte man ja noch die zweite Auffü:hrung besuchen - und da legt sich die Truppe erst richtig ins Zeug. Applaus, Applaus. Am anderen Morgen scheint die Sonne. Malerisch zieren weisse Wellenkämme das Meer, aber das Schiff fährt ruhig. Nicht ruhig ist es am Pool Deck unter dem gelben Costa-Schornstein: Die Combo tobt, die Animateure animieren, Salsa, Cha Cha Cha und Samba, Samba, Samba...


"Costa Victoria"


"Costa Victoria", Captain's Party und Show


Fü:r 18 Uhr ist der "Captain's Gala Cocktail" im Theater angesagt. Elegante Kleidung wird empfohlen. Photo mit Comandante Massimo Pennisi, Shakehands, später wird er die Offiziere vorstellen, alles Italiener. Am Podium tanzen Paare gemessenen Schritts, nichts fü:r uns, aber da kommt ein Host und eine schö:ne Hostess, wer kann da Nein sagen. Sie ist aus Sao Paolo, sagt sie - wir kennen es - sie fragt, wo wir wohnten - an der Rua Augusta - ach ja, die mag sie so sehr...

Formelles Dinner ist heute. Tischnachbarn sind Schweizer und Deutsche, Franzö:sisch, Italienisch und Deutsch die Sprachen. Costa-Stammgäste sind sie. Mehr aber hö:rt man Spanisch. Und alle schätzen den formellen Abend, von "Club-Schiff" mit Selbstbedienung halten sie gar nichts. Morgen abends werden wir uns im Restaurant wiedersehen.

Zur Tradition gehö:rt das Theater. Die "3 Tenö:re" sind heute auf dem Programm. Die charmante Cruise Directrice aus dem argentinischen Cordoba stellt sie vor: Valsani, Valsani und Romanelli, die 3 Tenö:re aus Brasilien. Und sie legen los, so sehr, dass es der Lautsprecher wirklich nicht bedurft hätte. Trocadero, Figaro, "Dein ist mein ganzes Herz", ein "Besa me mucho", Brasilianisches, Italienisches, bis hin zu Puccini - und das auf dem Sü:datlantik, wer hätte das erwartet... Eine Zugabe, Verdi's "Brindisi" - sie stossen mit den Gläsern an, und es wird mitgesungen...

Vierter Tag seit Ablegen aus Buenos Aires. Das Schiff nähert sich den Tropen. Die Luft ist lau, das Meer ruhig und der Himmel blau. Nach dem Frü:hstü:ck auf dem offenen Deck ü:ber dem Heck unter dem Sonnensegel sitzen, plaudern oder einfach nichts tun, das ist die Ruhe, die nur eine Seefahrt bieten kann. Ein kleines Flugzeug kreist, vielleicht Kü:stenwache, aber die Kü:ste Brasiliens ist weitab, ausser Sicht. Der Breitengrad von Florianopolis oder Curitiba kö:nnte schon passiert sein. Gegen Abend geht die Sonne hinter dü:steren Wolken des entfernten Festlands unter. Nach dem Abendessen (es ist sehr gut, nicht nur die Pasta, wie jemand irgendwo geschrieben hat) gibt's wieder Show, todesmutige Akrobatik des Bulgaren Markoff, und dann Can-Can.


Brasil...

Fü:nfter Tag. In den frü:hen Morgenstunden muss das Schiff die Bay von Guanabara passiert haben, um 8 Uhr liegt es schon am Kai des Pier Maua von Rio de Janeiro neben der "MSC Orchestra". Landgang, hinein in den Trubel der 11-Millionenstadt, bis vor Jahrzehnten der Regierungssitz von Brasilien. Ein Bummel entlang der quirligen Avenida Rio Branco, ein stiller Augenblick in einer der Kirchen von ü:berquellendem Barock, ü:berragt von spiegelnden Wolkenkratzern und, an der Baia Guanabara angelangt, da weitet sich das Szenario, den Zuckerhut oder Pao de Acucar zur Linken, den Corcovado mit der Christus-Statue zur Rechten. Auf dem Rü:ckweg findet gerade eine Studentendemonstration statt, so laut wie Tigergebrü:ll, da kö:nnten die "unseren" nur einpacken. Rio quillt eben ü:ber von Leben.


"MSC Orchestra", Rio de Janeiro


Rio de Janeiro

Pao de Acucar


Copacabana, "MSC Opera" (Photo Anton Soelch)

Gegen Abend zurü:ck auf dem Schiff, kö:nnen vom Oberdeck aus die Flugzeuge beobachtet werden, die ü:ber der 14 Kilometer langen Brü:cke von Niteroi hereinkurven, vor dem Hintergrund der Inselberge. Ab und zu ü:berquert eine Fähre die Bucht, meist Hi-Speeds. Es ist schon dunkel, als die "Costa Victoria" ablegt, die "MSC Orchestra" zurü:cklassend. In langsamer Fahrt vorü:ber an dem Marinestü:tzpunkt der Ilha das Cobras, an dem Terminal der Fähren und am Aeroporto Santos Dumont, wo die Flieger vor der Lichtermenge der ü:ber die Hü:gel ausgebreiteten Stadt aufsetzen, geht es an der Bucht von Guanabara vorbei. Im Hintergrund segnet die beleuchtete Christus-Statue vom Corcovado die Metropolis. Schwarz schiebt sich der Zuckerhut dazwischen, es ö:ffnet sich die Sicht wieder auf den Christus, schliesst sich, ö:ffnet sich nochmals nach Passieren des nächsten Berges, und die Lichterketten der Copacabana kommen in Sicht. Drei Signaltö:ne reissen die Passagiere aus dem Staunen, dann kurze und lange Tö:ne. Zwei Wochen zuvor, beim Urlaub hier, hatten dreimal drei Signaltö:ne das Stadtviertel geradezu erzittern lassen, es war die auslaufende "MSC Opera". Wie feierlich ist doch der Beginn einer Atlantik-ü:berquerung! Nur langsam bleiben die Lichter der Buchten zurü:ck, Berge der Inseln schieben sich dazwischen, dann glitzert in der Ferne wieder die Lampenkette der Niteroi-Brü:cke. Die Lichter der Inseln begleiten uns noch stundenlang, bis spät in den Abend hinein.

Am nächsten Tag brauen Wolkentü:rme, ein kurzer Schauer geht nieder und wieder scheint die Sonne. Einige Frachter kommen vorü:ber. Die Kü:ste ist nicht zu sehen, aber am Abend ein frappierend bunter Regenbogen.



"Gegen 03:00 Uhr wird das Schiff in einer Entfernung von 15 Meilen das Kap Sao Tome passieren", heisst es in der Bordinformation. Um 10 Uhr vormittags tauchen in der Ferne andere Hü:gel auf, um 11 Uhr voraus die Hochhä:user einer Stadt. Die "Costa Victoria" lä:uft in eine weite Bucht ein, die Baia de todos os Santos, der Lotse kommt an Bord, Schlepper begleiten das Schiff und um 12 Uhr legt es im Porto de Salvador an, von schwarzen Schö:nheiten in Tracht erwartet.


Salvador da Bahia

Landgang. Tropische Schwü:le. Der Plano Inclinado Goncalves, eine Standseilbahn von 1887, bringt den Besucher hinauf in die Altstadt von Salvador da Bahia, direkt zur Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert und da sind sie schon, fü:nf der einstmals 365 Kirchen der ehemaligen Hauptstadt Brasiliens an der Bucht, die allen Heiligen geweiht ist. Die Kirche Sao Francisco aus dem frü:hen 18. Jahrhundert ist die Exotischste, Fremdartigste mit ihrem schier ins Unermessliche ü:berquellenden Golddekor. Die benachbarte Klosterkirche der Franziskaner prä:sentiert sich nur von aussen fast so barock wie die andere von innen, aber ihr Raum zum Beten ist ernst, seriö:s. Und die Innenrä:ume des Klosters, die Gemeinschaftssä:le, die Treppenhä:user, die Gä:nge sind kostbar einfach. Welch ein wü:rdiges Altern wä:re das hier (und nicht in einem teuren Altenpflegeheim mit Narkotika stillgelegt zu werden, wie es vielen der Passagiere bevorstehen mag). Mit dem turmartigen Lift Lacerda, einem Wahrzeichen Salvadors aus der Vorkriegszeit, geht es wieder hinunter zum Hafen.


Salvador, Cathedral


Plano Inclinado,

Cathedral


Salvador, adios

Um 20 Uhr nimmt die "Costa Victoria" Kurs auf Maceio. Die Bahia de todos os Santos wird verlassen, das Schiff dreht langsam nach backbord und "auf der Linken werden die Lichter der Stadt Badiana sichtbar", heisst es im Informationsblatt. "Gegen 22 Uhr 30 kommt an backbord der Leuchtturm von Punta Arena in Sicht und kurz darauf beginnt das Schiff sich von der Kü:ste zu entfernen, bis hin zu mehr als 30 Meilen."

Tropisch-schwü:l geht am anderen Morgen ein Schauer nieder. Ein flacher Streifen Land ist an backbord zu sehen und gegen 12 Uhr, weit voraus, die Hochhaus-Silhouette einer Stadt. Es ist Maceio, in Europa fast unbekannt, aber hier soll die brasilianische Schickeria ihren Urlaub verbringen. Ein Marco Polo/ Mercedes-Bus bringt eine Gruppe Passagiere vorü:ber an leeren Stadtsträ:nden ü:ber eine Insel, die ü:berwuchert ist von Mangroven und umgeben von einer Lagune, zur Praia do Frances. Krokodile gibt's hier nicht, versichert der Reiseleiter, aber das Leben ist hier zu Hause, leger und brasilianisch, fü:r manche fast beä:ngstigend in seiner Turbulenz.


Maceio, Praia do Frances


Am Abend, an Bord, gibt es eine brasilianische Show, lebendig, faszinierend, fast schon der Abschied aus Sü:damerika. Der letzte Zwischenstopp ist fü:r morgen in Recife geplant. Einen Abend danach wird die "Costa Victoria" die Sü:datlantik-ü:berquerung aufgenommen haben...


Maceio, adios